Philippe Imboden: «Bei der Air Zermatt gibt es keine Einzelkämpfer»
Philippe Imboden verlässt die Air Zermatt Ende April nach über 30 Jahren. Der bald 60-Jährige hat fast in jeder Abteilung der Air Zermatt seine Dienste geleistet und kennt den Betrieb in- und auswendig. Kurz vor seinem Abschied blickt er mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Höhen und Tiefen seiner Zeit auf dem Heliport Zermatt zurück.
Philippe, wann bist du zum ersten Mal mit der Air Zermatt in Berührung gekommen?
Wenn man im Oberwallis wohnt, kommt man automatisch regelmässig mit der Air Zermatt in Berührung. Bei mir war dies bereits im Kindesalter und später auf diversen Baustellen. 1990 kam der «Vivian»-Sturm, welcher massive Waldschäden mit sich zog. Aufgrund dieses Ereignisses hat die Air Zermatt Flughelfer gesucht, welche beim Holzfliegen, dem sogenannten Logging, helfen.
Ich war einer der Mitarbeiter, welche beim Abtransportieren des Sturmholzes geholfen haben. Nach fünf bis sechs Monaten war meine Sommersaison beendet und mir wurde eine Winterstelle sowie darauffolgend eine Festanstellung angeboten.
Du warst jedoch nicht nur als Flughelfer bei der Air Zermatt tätig.
Nein, ich habe diverse Zwischenstationen innerhalb des Unternehmens kennengelernt; fünf Jahre davon war ich als Flughelfer tätig. Zu dieser Zeit durften wir noch eine einfache, medizinische Grundausbildung absolvieren, um dem Arzt und Piloten bei einem Rettungseinsatz assistieren zu können. So bot sich mir die Möglichkeit, die Rettungscrew in den Wintermonaten auf ihren Einsätzen zu begleiten. Zudem durfte ich in dieser Zeit mit meinem Hund als Lawinenhundeführer zu zahlreichen Lawineneinsätzen ausrücken.
Nach dieser intensiven, äusserst spannenden Zeit war ich bereit für eine neue Herausforderung und wechselte in die Einsatzleitung. Die Umstellung war eine Challenge für mich, schliesslich kannte ich mich weder mit administrativer Arbeit aus, noch gab es zu dieser Zeit irgendwelche Laptops oder PCs. Die neue Herausforderung ist mir anfangs nicht leichtgefallen, war jedoch spannend. Meine Arbeitskollegen haben sogar Wetten abgeschlossen, wie lange ich es in der Einsatzleitung aushalte (lacht).
Auch in der Einsatzleitung war nicht Endstation für dich.
Nein, nach fünf Jahren war es wiederum Zeit für einen Wechsel. Danach wurde die Geschäftsleitung durch den damaligen Direktor Bernhard Vogel gegründet, in der ich bis Ende Dezember 2021 vertreten war.
Weshalb bist du bis heute bei der Air Zermatt geblieben?
Von 1993 bis 2000 musste sich unser Unternehmen einigen Herausforderungen stellen. Insbesondere finanziell erlebten wir einen Tiefflug, da die ganzen Holzarbeiten, von welchen wir zuvor durchaus profitiert hatten, einbrachen. Die Verantwortung und die Zusammenarbeit während dieses Abschnittes im kleinen Team haben uns zusammengeschweisst. Wir haben einander getragen und uns gegenseitig unterstützt. In dieser Zeit habe ich mich sehr engagiert gefühlt, was dazu geführt hat, dass ich einen Wechsel gar nie in Betracht gezogen habe.
Wie hat sich die Air Zermatt seit deinen Anfängen verändert?
Bei meinem Anfang im Mai 1990 waren wir rund 30 Mitarbeitende, heute bilden wir mit den Freelancern ein fast 120-köpfiges Team. Die Aufgaben waren weniger spezifische, jeder hat fast alles gemacht und man hat sich immer wieder gegenseitig ausgeholfen. Heute ist jedes Ressort organisiert und wir haben uns in allen Bereichen stark weiterentwickelt und spezialisiert.
Wie würdest du die Air Zermatt beschreiben?
Die Air Zermatt ist eine grossartige und faszinierende Firma und verfügt mit Sicherheit über den besten und leistungsfähigsten Helikopter-Rettungsdienst. Wir stehen sehr stark in der Öffentlichkeit, gerade weil wir Aussergewöhnliches leisten. Das Unternehmen ist nie stehen geblieben, hat sich immer weiterentwickelt und nie an Innovation verloren. Schön ist insbesondere, wie sehr sich die Mitarbeitenden mit der Firma identifizieren.
Wie behältst du deine Zeit in Erinnerung?
Nach 32 Jahren kann ich sagen: Es war interessant vom ersten bis zum letzten Tag. Der Alltag bei der Air Zermatt war vieles, aber niemals langweilig. Von der einen zur nächsten Sekunde kann sich der Tag um 180 Grad drehen und du weisst nicht, was als nächstes passiert.
Die Faszination für Helikopter ist bei mir bis zum letzten Tag geblieben. Ein geniales Flugobjekt, dem ich bis zum Schluss nachgesehen habe, wenn er auf dem Heliport gestartet ist.
Welches Ereignis hat sich in dein Gedächtnis gebrannt?
Es gibt sehr viele. Ich durfte, wie bereits erwähnt, als Flughelfer an den Rettungen und Lawineneinsätzen teilnehmen. Wenn du das erste Mal aufgeboten wirst, brennt sich das bei dir ein. Du steigst in den Helikopter und weisst nicht, was dich genau erwartet. Ich kann mich aber noch an jedes Detail meines ersten Bergungseinsatzes erinnern und auch an den anfänglichen Schock, als wir davon zurückgekehrt sind. Es handelte sich dabei um zwei Tote am Lagginhorn.
Bei den weiteren Einsätzen gehst du schon viel vorbereiteter an die Arbeit. Alle Beteiligten der Rettungscrew schützen sich selbst mit einer gewissen und sicherlich nötigen Distanz zum Geschehenen und lernen, mit diesen schweren Fällen umzugehen. Auch hier hilft unser Teamwork enorm, genauso der regelmässige und intensive Austausch.
Dasselbe gilt nach einem anstrengenden Tag, wenns drunter und drüber läuft, alles gut geht und man sich an diesem Erfolgserlebnis mit allen erfreuen kann. Dieses Gefühl prägt sich ebenfalls ein.
Was hast du an deiner Arbeit am meisten geschätzt?
In erster Linie die Arbeit selbst. Der stetige Kontakt mit Flughelfern, Piloten, externen Personen, aber auch das Offert-Wesen.
Die Air Zermatt hat mich gelehrt, dass es in einem funktionierenden Betrieb keine Einzelkämpfer geben kann. Auch wenn wir uns nicht in jeder Sache immer einig waren und grosse Entscheidungen treffen mussten, sind wir schlussendlich stehts zusammengestanden. Gemeinsam an einem Strang zu ziehen, sollte die oberste Priorität jedes Unternehmens sein.
Wie geht es nun für dich weiter?
Ich freue mich auf eine ruhigere Zeit und darauf, den Sachen nachzugehen, bei welchen ich in den letzten Jahren kürzertreten musste. Die langjährigen Freundschaften werden hoffentlich auch künftig bestehen bleiben und damit auch der Kontakt und die Verbundenheit zur Air Zermatt.
Philippe, Du hast das Schlusswort.
Merci allen Mitarbeitenden für die grossartige Unterstützung! Einen besonderen Dank an dieser Stelle an Beat Perren, welcher mir diese Chance gegeben und mich auf dem ganzen Weg begleitet hat. Ebenso möchte ich mich bei der gesamten Geschäftsleitung bedanken und speziell bei Gerold Biner, für die immerwährende Unterstützung und Freundschaft in dieser interessanten und sehr fordernden Zeit bei der Air Zermatt. Danke.