Rettungsspezialistin als Lebensziel
Die Air Zermatt absolviert jährlich über 2000 Einsätze unter zum Teil schwierigsten Bedingungen. Im Air Zermatt Training Center ATC teilen die Retter diesen Erfahrungsschatz mit Profis und Laien aus der ganzen Welt. Kürzlich nahm Silvana Candiani aus Argentinien am HEMS-Crew-Member-Kurs teil. Ihre beeindruckende Lebensgeschichte inspiriert und verdiente ein Stipendium der Air Zermatt und der Swiss Sherpa Stiftung.
Silvana Candiani ist eine junge, sportliche und vor Energie sprühende Frau. Über mehrere Jahre hat sie Geld gespart, um sich bei der Air Zermatt weiterbilden zu lassen. «Obwohl ich sparte, reichte mein Geld einfach nie», erinnert sie sich zurück. Ein Stipendium der Air Zermatt und der Swiss Sherpa Stiftung machte der Argentinierin den Weg zu ihrem Traum frei: Silvana ist eine der Teilnehmenden des HEMS-Crew-Member-Kurses. Wir treffen Sie zum Gespräch. Silvana kommt auf die Basis der Air Zermatt, um am ATC-Training teilzunehmen. Was sie nicht weiss ist, dass sie an diesem Tag ein Survival Training erwartet. Ein Helikopter wird sie, die restliche Gruppe sowie die zwei Ausbildner an einen unbekannten Ort absetzen, wo sie sich für die Nacht wappnen müssen.
Das ungerechte Schicksal der Frau
Aber vorher erzählt uns die junge Argentinierin ihre Geschichte: «Ich war 16 Jahre alt, als ich beschloss, Rettungsspezialistin zu werden. Nur gab es diesen Beruf in Argentinien noch gar nicht», schmunzelte Silvana. «Man sagte mir, wenn du Bergretterin werden willst, musst du eine abgeschlossene Ausbildung zur Krankenschwester haben. Also erlernte ich den Beruf der Krankenschwester.» Als Silvana wieder mit ihrem Vorhaben anklopfte, dass sie Rettungsspezialistin werden möchte und nun auch Krankenschwester sei, sagte man ihr, dass sie dann auch Bergführerin sein müsse. «Also machte ich mich auf, lernte und schloss meine Prüfung als Bergführerin ab. Ich freute mich, endlich auf meinem Traumberuf arbeiten zu dürfen.» Doch die junge Frau freute sich zu früh… Nun sagte man ihr, dass sie ohne eine Ausbildung zur Pistenpatrouilleurin nicht bei der Rettung arbeiten könne. «Also fing ich eben mit dieser Ausbildung auch noch an.» Silvana bekam ein Kind. «Als Frau und Mutter könne ich doch unmöglich Bergretterin werden, sagte man mir dann. Dazu müsse man ein Mann, am besten Rambo, sein.»
Rettungen wie anno dazumal
Silvana lebt in Patagonien. Die Landschaft ist wild, naturbelassen und die hohen anspruchsvollen Gipfel locken abenteuerlustige Bergsteiger an. Wenn etwas passiert, rücken die Retter mit 40 Mann und zu Fuss aus. Einen Rettungshelikopter gibt es nicht. «Wir müssen eine grosse Truppe sein, weil wir viele Stunden zum Berg laufen, dann viele Stunden bis zu den in Not geratenen Bergsteigern klettern», so die junge Argentinierin. Die Retter brauchen deshalb Ausrüstung und Verpflegung. All dies muss getragen werden und es muss schnell gehen. Oft müssen auf dem Rückweg auch die Verunfallten durch die raue Landschaft getragen werden. Stundenlanges hinunterklettern und stundenlanges Laufen. Eine Pause gönnen sich die Retter nicht, denn «der Zeitdruck steckt uns im Nacken, die Verunfallten benötigen ärztliche Versorgung.» Silvana träumt von einem Helikopter, der die Arbeit erleichtert und von einer besseren Organisation der Rettungsaktionen.
Bei all diesen Träumereien und mit dem Tatendrang der energischen Silvana, hörte sie immer wieder von der Air Zermatt und deren Leistungen in der Bergrettung. «Mir war klar, dass ein Training bei der Air Zermatt, also den besten Bergrettern weltweit, mir meine Augen und vielleicht auch viele Türen öffnen würde. Denn heute bin ich 44 Jahre alt. Und ich möchte endlich so richtig in meinem Traumberuf arbeiten und effizient viele Menschenleben retten.» Nach dem HEMS-Training bei der Air Zermatt will sich Silvana in Europa niederlassen und endlich ihren Traum wahr werden lassen: Rettungsspezialistin auf einem Helikopter.
Das Air Zermatt Training Center ATC
Die Air Zermatt hat es sich zur Mission gemacht, ihr langjährig erworbenes Wissen durch erfahrene Instruktoren, die ihre Kenntnisse aus dem realen Alltag authentisch und mit höchster fachlicher Kompetenz vermitteln, in praxisnahen Kursen und Weiterbildungen weiterzugeben. Diese massgeschneiderten Schulungen werden im Air Zermatt Training Center koordiniert und sowohl auf lokaler, regionaler, nationaler als auch internationaler Ebene angeboten. Sowohl Profis als auch Laien profitieren von dem umfangreichen Erfahrungsschatz, den die Retter gerne weitergeben. Jährlich stehen etwa 20 erfahrene Ausbildner im Air Zermatt Training Center zur Verfügung, um ihr Wissen an rund 1000 Kursteilnehmende aus aller Welt weiterzureichen.
Die Swiss Sherpa Stiftung
Silvana Candiani hat ihren Traum nur dank einem Stipendium der Air Zermatt und der Swiss Sherpa Stiftung erfüllen können. Bergsteiger und Unternehmer Patrick Z’Brun stand mit Hilfe von Sherpas am Frühling 2008 auf dem Gipfel des Mount Everests. Während seiner Expedition hat er bereits den Entschluss gefasst, Sherpas auf ihrem anspruchsvollen Weg hin zu größerer Eigenständigkeit zu unterstützen und somit den Grundstein für die Gründung der Swiss Sherpa Stiftung gelegt. Das Hauptziel der Stiftung besteht darin, Sherpas und anderen Bergvölkern eine grössere Unabhängigkeit zu ermöglichen. Als diplomierter Bergführer ist es Patrick Z’Bruns Anliegen, ihnen unter anderem die Ausbildung zum international anerkannten Bergführer zu ermöglichen, um künftig nachhaltig von Expeditionen und Trekkingtouren profitieren zu können. Die Lebensgeschichte von Silvana hat die Swiss Sherpa Stiftung und die Air Zermatt überzeugt. Deshalb haben sie ihr ein Stipendium gewährt.
Die Air Zermatt und die Swiss Sherpa Stiftung werden auch in Zukunft Menschen unterstützen, die ihr Leben dem Rettungsdienst widmen. Aktuell arbeiten wir an der Ausarbeitung der Richtlinien für zukünftige Stipendien, die zu gegebener Zeit veröffentlicht werden.