Nachtflug-Schulungen der Air Zermatt: Pflicht, Praxis, Perfektion
Es ist dunkel im Oberwallis. Der Himmel ist wolkenlos, ein feiner Hauch Winterkälte hängt in der Luft. Es ist still. Dann beginnt die Turbine des Rettungshelikopters zu pfeifen. Die Crew ist bereit für die diesjährige Nachtflug-Schulung.

Windeneinsätze gehören zu den anspruchsvollsten Rettungsmanövern überhaupt. Bei Nacht steigen die Anforderungen noch einmal massiv. Fehlendes Tageslicht, anspruchsvolles alpines Gelände und wechselhafte Wetterbedingungen machen solche Einsätze zu einer komplexen Herausforderung. Gerade deshalb sind Nachtübungen für die Air Zermatt nicht einfach eine Pflicht, sondern ein zentraler Baustein der Rettungssicherheit. Sie ermöglichen es der Crew, Abläufe zu perfektionieren, Vertrauen zu stärken und unter realistischen Bedingungen zu trainieren. Diese Nachtflug-Schulungen finden meistens in den Monaten November und Dezember statt.
Der Flug in die Nacht
Ein Pilot, ein Notarzt, ein Rettungssanitäter und ein Rettungsspezialist sitzen im Helikopter. Neben ihnen nimmt ein Fluglehrer Platz, jener Fachmann, der jedes Detail beobachtet, bewertet, kommentiert. Der Helikopter hebt ab. Das Training beginnt.
Der Rettungshelikopter fliegt in Richtung Berge. Für die Crew wird Zermatt bei jedem Höhenmeter kleiner, verliert sich im Schwarz der Nacht. Zermatter, die aus dem Fenster schauen, sehen lediglich einen Lichtkegel, der sich langsam über die Felsen bewegt. Man hört das sonore Trommeln der Rotoren.
Für die Crew bedeutet diese Dunkelheit etwas anderes: höchste Wachsamkeit. Nachtflüge lassen keinen Spielraum für Ablenkung. Jeder Blick, jeder Handgriff, jede Entscheidung zählt.
«Ich bin bereit», meldet der Rettungssanitäter routiniert. Der Pilot nickt, während er die Night Vision Goggles trägt. Das sind jene Brillen, mit denen die Nacht im Cockpit zu einer sichtbaren Welt wird. Night Vision Goggles verstärken das Restlicht und machen für den Piloten die Nacht zum Tag. Er sieht ein Bild in schwarz-weiss.
Suchscheinwerfer über dem Schwarz der Berge
Im Mattertal wird das erste Trainingsszenario simuliert. Der Helikopter dreht eine Schleife, dann richtet die Crew den Suchscheinwerfer aus. Ein gleissender Lichtstrahl schneidet durch die Dunkelheit, tanzt über Geröllfelder und Felsbänder. Die Crew sucht das Gebiet ab. Jeder im Helikopter ist konzentriert: klare Worte, präzise Bewegungen, blindes Vertrauen. Der Fluglehrer macht sich Notizen. Draussen gleitet der Lichtkegel über die Berghänge.
Die Übung mit der Winde
Dann folgt der zweite Teil: Windenrettung in der Nacht. Ein Manöver, das selbst erfahrene Crews fordert. Der Helikopter schwebt über einer Felsstufe, das Gelände fällt steil ab. Ein Rettungsspezialist steigt auf die Kufe und lässt sich mit der Winde abseilen. Die Winde ist 90 Meter lang. Der Pilot hält die Maschine ruhig in der Luft. Der Rettungssanitäter bedient die Winde. Der Fluglehrer wirft einen prüfenden Blick auf die Abläufe, sagt kein Wort. Jeder kennt seine Rolle. Heute wird nur trainiert. Aber die Konzentration ist dieselbe wie in einer echten Notlage. Jeder weiss, dass dieses Zusammenspiel im Ernstfall über Erfolg oder Scheitern entscheidet.
Die Stille nach dem Flug
Nach rund einer halben Stunde wendet der Helikopter und nimmt Kurs zurück auf Zermatt. Die Berge sind nun wieder schemenhafte Wände, die Nacht ist friedlich und still. Der Helikopter setzt sanft auf der Basis auf. Das Training ist beendet. Der Fluglehrer steigt aus, klopft dem Piloten einmal auf die Schulter und sagt: «Saubere Arbeit.» Die Crew löst sich, beginnt mit der Nachbesprechung. Kein Spektakel, kein Triumph. Sondern Routine.
Warum diese Nächte wichtig sind
Für die Bevölkerung bedeutet der nächtliche Helikopterlärm manchmal eine kurze Unterbrechung der Nachtruhe. Für die Air Zermatt jedoch ist er unerlässlich. Das Gesetz schreibt die Nachtflug-Schulungen vor. Zwischen 15 und 20 solche Trainings finden jedes Jahr statt. Gestartet wird sowohl in Raron wie auch in Zermatt. Und die Erfahrung zeigt: Was heute geübt wird, kann morgen entscheidend sein. Nacht-Windenübungen sind daher mehr als ein Training. Sie sind ein Versprechen an die Bevölkerung: Auch wenn es dunkel ist, auch wenn die Bedingungen schwierig sind, ist die Crew bereit.















