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Dr. Axel Mann überprüft das Befinden eines Patienten während des Helikopterfluges. 

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«Ein Jahresbeginn am Limit»
Ein Rückblick von
Dr. Axel Mann

Axel Mann, ehemaliger Leiter des Ärztlichen Dienstes bei der Air Zermatt, hat dem Helikopterunternehmen sein Wissen und Können während 38 Jahren zur Verfügung gestellt. In all dieser Zeit hat der Doktor zig spannende, lustige und traurige Geschichten gesammelt, welche wir euch keinesfalls vorenthalten möchten. Einen Einblick in den Alltag der Rettungscrew, welcher abwechslungsreicher nicht sein könnte.

10. Januar 2023
Céline Bader

Wir haben bei Axel Mann noch einmal nachgegraben und seine prägendsten Erlebnisse auf Blatt gebracht. Viele dieser Momente haben nicht nur die Laufbahn des Facharztes für Anästhesie/Intensiv verändert, sondern auch den Betrieb der Air Zermatt selbst revolutioniert. 

Axel Mann hat schon so manchen Tag bei der Air Zermatt erlebt, der auch einem erfahrenen Fachmediziner an die Nieren gehen kann. Ein solcher ereignete sich über die Neujahrstage vor einigen Jahren. Nebst zahlreichen Pistenunfällen mit leichtem- bis mittlerem Verletzungsgrad, kam schliesslich ein Anruf der Bergbahnen über einen verunfallten Skifahrer. Der 17-Jährige steckte durch einen Selbstunfall in einer äusserst misslichen Lage zwischen Piste und Pistennetz fest. Axel Mann wurde, da er sich bereits auf einem Einsatz im Helikopter befand, mit der Winde auf direktem Wege zur Unfallsstelle gebracht. Dort fand er den Jungen in Embryostellung gekauert vor. Durch die Verlegung der Atemwege und ein schweres Schädel- Hirntrauma war dieser bewusstlos und bekam entsprechend auch nicht zureichend Sauerstoff – die Zeit drängte: «Wir können drei Wochen ohne Nahrung, drei Tage ohne Flüssigkeit, jedoch nur drei Minuten ohne Sauerstoff überleben, ohne schwerwiegende Schäden davonzutragen», erklärt Dr. Mann.

In Momenten wie diesen bleibt keine Zeit zu zögern, Handeln in Sekundenschnelle ist angesagt: «Ich war alleine am Unfallort und habe den Patienten als erstes intubiert.» Als der Helikopter mit Verstärkung ankommt, entschliesst man sich für eine Narkose. Anschliessend wird der Junge in das Inselspital Bern gebracht.

«Es ist eine Blackbox, die man lieber geschlossen hält.»

Doch noch auf dem Weg erhält Axel bereits den nächsten Funk vom Besitzer des Restaurants Blatten: Ebenfalls auf der Piste ist ein etwa 40-Jähriger in einen Eisblock gekracht. Bereits bei der Ankunft sieht der Anästhesist das Ausmass des Unfalles: Das Gesicht, insbesondere Kieferpartie und Mund, sind deformiert, der Mann erleidet ebenfalls ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, ist jedoch halbwegs bei Bewusstsein. Was man zu diesem Zeitpunkt noch nicht bemerkt: Der Mann erleidet zudem massive Blutungen im Bauchraum. Um die weitere Vorgehensweise, sprich die Intubation (künstliche Beatmung) und die Erstversorgung wie die Blutstillung zu vereinfachen, wird der Patient noch vor Ort ins künstliche Koma versetzt. Knochensplitter im Mundinnern erschweren jedoch den Zugang zur künstlichen Beatmung. Nach einem Zwischenhalt auf dem Heliport, auf dem die Rettungscrew in gesicherter Umgebung und mit dem nötigen Material erste Hilfe leisten kann, fliegt der Helikopter erneut das Inselspital in Bern an.

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Dr. Axel Mann während einer Windenoperation vor einigen Jahren.

Beide Patienten haben ihren schweren Unfall überlebt. «Meines Wissens geht es dem 17-Jährigen heute gut und er ist ohne Folgen durch die unterbrochene Sauerstoffzufuhr davongekommen.» Für den zweiten Verunfallten zog das Ereignis eine wochenlange Prozedur mit sich. Mehrere Operationen zur Wiederherstellung des Schädels und Kiefers sowie die schnellstmögliche Versorgung zahlreicher innerer Verletzungen haben dazu geführt, dass es dem Patienten heute wieder gut geht, wie Axel erklärt: «Er hat uns vergangenen Herbst zum Essen eingeladen. Eine spezielle, erfreuliche Begegnung.»

Nicht oft komme es vor, dass man seine Patienten ein zweites Mal wieder trifft. Dem liegen jedoch nicht nur fehlende Zeit oder Distanz zu Grunde: «Die Verarbeitung eines solchen Ereignisses ist ein Prozess, der nicht selten ein Trauma mit sich zieht und einer Therapie bedarf. Es ist logisch, dass viele danach nur ungern wieder in die Umgebung oder zu den Personen zurückversetzt werden, welche sie mit dem Ereignis verbinden», erklärt der Arzt. «Es ist eine Blackbox, die man lieber geschlossen hält.»

Tage wie diese zeigen, wie wichtig die Erstversorgung in einer Notfallsituation ist. Allgemein gilt: die Sauerstoffzufuhr hat immer oberste Priorität. Erst dann kümmert man sich um die Befreiung des Patienten oder die Versorgung anderer Verletzungen.

Doch wie verarbeitet er selbst Tage wie diese, in welchen Stress, Hektik und Tragik aufeinandertreffen? «Man braucht auf jeden Fall ein dickes Fell und mit der Zeit gewöhnt man sich auch an die ganz schlimmen Situationen, sie gehören bei der Air Zermatt dazu.» Der Austausch mit der Crew und Arbeitskollegen helfe enorm, den Tag Revue passieren zu lassen, Bilanz zu ziehen und das Ganze loszulassen. Spätestens beim Abendessen mit der Familie soll der Tag und seine Ereignisse allerdings passé sein.»

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